PM Deutschland muss menschliche Gebeine und Kriegsbeute aus Kamerun, Togo, Tansania und Ruanda zurückgeben

Felix von Luschan (1854-1924), Leiter der Abteilung Afrika und Ozeanien im Königl. Museum für Völkerkunde

Felix von Luschan (1854-1924), Leiter der Abteilung Afrika und Oceanien im Königl. Museum für Völkerkunde, heute das Ethnologische Museum Berlin

Pressemitteilung des Kampagnenbündnisses „No Humboldt 21!“

17. Dezember 2014

Deutschland muss menschliche Gebeine und Kriegsbeute aus Kamerun, Togo, Tansania und Ruanda zurückgeben

Berlin. Nach der Weigerung des Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, im Rahmen einer Podiumsdiskussion oder eines Radiointerviews mit afrikanischen und Schwarzen Expertinnen und Experten über das Humboldt-Forum zu diskutieren, hat das Kampagnenbündnis „No Humboldt 21!“ auf einer Pressekonferenz konkrete Indizien für Schädel und Skelette sowie für Kriegsbeute aus allen ehemaligen deutschen Kolonien in Afrika in den Depots der Staatlichen Museen zu Berlin vorgelegt.

Das international von mehr als 80 Menschenrechtsorganisationen unterstützte Bündnis informierte die Botschaften der betroffenen Länder Togo, Kamerun, Tansania und Ruanda sowie die Öffentlichkeit darüber, dass in die sogenannte „S(chädel)-Sammlung“ des Königlichen Museums für Völkerkunde (heute Ethnologisches Museum Berlin) die Gebeine von mindestens fünf Menschen aus Kamerun, 17 aus Togo und 36 aus Tansania aufgenommen wurden – darunter direkte Opfer von Kolonialkriegen und Exekutionen. Im Falle von Ruanda ist in den Quellen sogar von Hunderten nach Berlin verschickter Schädel die Rede.

Die mit ihren S-Nummern auch in www.smb-digital.de nachgewiesenen 58 Schädel und Skelette stellen jedoch nur die Spitze des Eisbergs darstellen, denn allein die 1885-1922 vom Museum zur rassenanthropologischen Forschung angelegte Sammlung der Staatlichen Museen zu Berlin umfasst noch immer die Gebeine von ca. 5.300 Menschen aus allen Teilen der Welt. Zudem beherbergen die bundeseigenen Einrichtungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz auch die ca. 3.500 Schädel und Skelette umfassende Sammlung Rudolf Virchows, welche von der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte bis heute gebührenpflichtig der Forschung zur Verfügung gestellt wird.

Das Bündnis verwies zudem auf ganze Objektsammlungen, die in den Akten des Ethnologischen Museums als „Kriegsbeute“ bezeichnet werden. So lagern in den Depots der Stiftung Preußischer Kulturbesitz nicht nur die 1897 von britischen Kolonialtruppen erbeuteten über 500 Statuen aus dem Königspalast von Benin (Nigeria). In den Museumskellern findet sich u.a. auch eine geraubte ethnografische Sammlung des Kommandeurs der Polizeitruppe in Togo, von Massow, Beutegut des Militärarztes Fülleborn aus Tansania und eine Reihe von erklärten „Kriegstrophäen“ des berüchtigten Kolonialoffiziers Hans Dominik aus Kamerun.

Unter Berufung auf den ICOM-Code of Ethics und die aktuelle UN-Deklaration über die Rechte der Indigenen Völker erklärt das Bündnis „No Humboldt 21!“:

Durch die kostspielige, zentrale Ausstellung fremder Kulturschätze will sich Deutschland laut Kulturstaatsministerin Grütters als ‚eine der bedeutendsten Kulturnationen der Welt‘ präsentieren. Wir lehnen diese schamlose Selbsterhebung mit Hilfe von Objekten, die in der Kolonialzeit angeeignet wurden, im Palast der preußischen Kolonialherrscher ab. Stattdessen muss Deutschland endlich die Provenienzforschung fördern und unverzüglich die Rückgabe von offensichtlich geraubten Kulturobjekten und menschlichen Überresten an die Herkunftsgesellschaften anbieten.“

Kontakt:
Tahir Della, 015254217327, tahirdella@isdonline.de
Christian Kopp, 01799 100 976, buero@berlin-postkolonial.de

fb: https://www.facebook.com/events/902288293117009/

 

Pressemitteilung des Kampagnenbündnisses „No Humboldt 21!“

8. Dezember 2014

Stiftung Preußischer Kulturbesitz verweigert Dialog zum Humboldt-Forum und zur Rückgabe von menschlichen Gebeinen aus Afrika

Berlin. Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) Herrmann Parzinger und der Leiter der Afrika-Abteilung des Ethnologischen Museums Peter Junge haben ihre Teilnahme an der für den 16.12. um 18 Uhr im Haus der Kulturen der Welt geplanten Dialogveranstaltung „Fenster zur Welt oder koloniale Trophäenschau? Das Humboldt-Forum in der Diskussion“ kurzfristig abgesagt. Als Begründung führt die Pressestelle der SPK die Stellungnahme des einladenden Bündnisses „No Humboldt 21!“ in der Veranstaltungsankündigung an. In der knapp gehaltenen Absagemail ist von „Sätzen der Anklage, der Diffamierung und eines unerträglichen Populismus“ die Rede.

Die international von mehr als 80 NGO unterstützte Kampagne „No Humboldt 21!“ spricht sich bereits seit der Grundsteinlegung im Juni 2013 entschieden gegen das 600 Millionen-Euro-Projekt im Berliner Schloss aus. Die Verbände und Vereine protestieren gegen das Vorhaben, Deutschland durch die zentrale Ausstellung von Kulturschätzen, die während der europäischen Kolonialherrschaft aus anderen Kontinenten nach Berlin transportiert wurden, als „eine der bedeutendsten Kulturnationen der Welt“ (Monika Grütters) zu präsentieren. Stattdessen erwarten die Initiativen von der bundeseigenen SPK die engagierte Umsetzung der Ethischen Richtlinien des Weltmuseumsbundes und der aktuellen UN-Beschlüsse zur Identifizierung und Rückgabe von zentralen Kulturobjekten und menschlichen Überresten an die Nachfahren der Kolonisierten. Bis heute lagern Hunderttausende von unersetzlichen Werken und Tausende von außereuropäischen human remains zu Forschungszwecken in ihren Depots.

Pressekonferenz des NGO-Bündnisses am 16. Dezember um 10 Uhr

Vor dem Hintergrund des verweigerten Dialogs mit afrikanischen und Schwarzen Expert_innen wie Grada Kilomba, Prince Kum’a Ndumbe III und Kwesi Aikins durch die SPK lädt das Bündnis „No Humboldt 21!“ für Dienstag, den 16.12.2014 um 10 Uhr zu einer Pressekonferenz im Haus der Demokratie und Menschenrechte ein. Neben seiner Position zur aktuellen Entwicklung wird das Bündnis Hinweise auf Kriegsbeute, Schädel und Skelette aus Togo, Kamerun, Tansania, Ruanda und Südafrika in den nicht öffentlich zugänglichen Sammlungsdepots der Stiftung Preußischer Kulturbesitz präsentieren.

Dienstag, 16.12.2014 um 10 Uhr
Robert-Havemann-Saal
Haus der Demokratie und Menschenrechte
Greifswalder Str. 4
10405 Berlin

 

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Maji-Maji-Gedenken 2005 in Berlin (Foto: D. Incoronata)

ABGESAGT: 16. Dezember 2014   18 Uhr

„Fenster zur Welt“ oder „koloniale Trophäenschau“?

Das Kampagnenbündnis „No Humboldt 21!“ und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz treffen sich zum kritischen Dialog über das Humboldt-Forum

Haus der Kulturen der Welt
John-Foster-Dulles-Allee 10
10557 Berlin

Eintritt: Frei

Am Dienstag, 16. Dezember 2014 um 18 Uhr treffen sich das Bündnis „No Humboldt 21!“ und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz zum kritischen Dialog über das „größte Kulturprojekt Europas“ (M. Grütters) – das Humboldt-Forum im Berliner Schloss

Auf dem Podium: Hermann Parzinger (Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz), Peter Junge (Leiter der Afrika-Abteilung am Ethnologischen Museum Berlin), Grada Kilomba (Psychologin und Autorin) Prinz Kum’a Ndumbe III. (Historiker und Begründer von AfricAvenir International, angefragt) und Joshua Kwesi Aikins (Politologe und Aktivist der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland).

Moderation: Nadja Ofuatey-Alazard (Journalistin, Universität Bayreuth)

Anlässlich der Veranstaltung erklärt die Stiftung Preußischer Kulturbesitz:

„In der historischen Mitte Berlins entsteht im Laufe dieses Jahrzehnts ein einzigartiges Zentrum für Kunst, Kultur, Wissenschaft und Bildung mit internationaler Ausstrahlung. Es widmet sich dem Dialog zwischen den Kulturen der Welt und richtet den Blick aus ganz unterschiedlichen Perspektiven auf historische wie aktuelle Themen von globaler Relevanz. Im Humboldt-Forum kehren Museen, Bibliothek und Universität an ihren Ursprungsort zurück und entwickeln dort gemeinsam neue Formen eines komplementären Zusammenwirkens. Die Geschichte wird in der Gegenwart lebendig.

Das Humboldt-Forum trägt dazu bei, ein aktuelles Verständnis unserer globalisierten Welt zu vermitteln; es wird Fragen aufwerfen wie auch nach Lösungen suchen. Es gilt dabei auch, ökonomische und ökologische Entwicklungen der Weltgesellschaft deutlich zu machen und zu zeigen, welche Aufgaben für deren Gestaltung vor uns liegen – in Politik, Wirtschaft und Kultur gleichermaßen. Getreu seiner Namensgeber, der Gebrüder Wilhelm und Alexander von Humboldt, soll dieser Ort für ein respektvolles und gleichberechtigtes Zusammenleben der Kulturen und Nationen stehen.“

Das Kampagnenbündnis „No Humboldt 21!“ erklärt dazu:

„Mit dem Humboldt-Forum/Berliner Schloss will sich Deutschland als „eine der bedeutendsten Kulturnationen“ inszenieren – und verletzt dabei die Würde und die Rechte von Schwarzen Menschen und People of Colour in allen Teilen der Welt. Der Wiederaufbau des Hohenzollernpalastes rehabilitiert die brandenburgisch-preußischen Kolonialherrscher, die sich am transatlantischen Handel mit Versklavten beteiligt und Deutschlands kolonialen Genozid in Namibia zu verantworten haben. Das Forum glorifiziert Alexander von Humboldt, der mit dem spanischen Kolonialregime kooperierte, versklavte Menschen als Träger und Führer missbrauchte und selbst die bestatteten Überreste von Indigenen stahl.

Diskriminierend wird im Schloss das Leben außerhalb Europas mit historischen Objekten als „das Fremde, das Andere“ inszeniert. Die aufwendige Rückführung der riesigen außereuropäischen Sammlungen ins Zentrum der Stadt legitimiert Preußens massenhafte Aneignung von Kulturgütern und menschlichen Überresten im Zuge der europäischen Kolonisierung der Welt. Wir fordern daher den sofortigen Stopp des Projekts und erwarten von der SPK die Einhaltung der ICOM- und UN-Richtlinien zur proaktiven Rückgabe von zentralen Kulturobjekten und human remains.

Verkehrsverbindungen; S-Bahn Hauptbahnhof (S3, S5, S7, S9, S75) / U-Bahn Bundestag (U 55) / Bus 100 und Bus M 85

fb: https://www.facebook.com/events/902288293117009/