Preußischer Kulturbesitz?
“Überhaupt ist es sehr schwer”, schrieb der “Afrikaforscher” und spätere Kolonialbeamte Richard Kandt 1897 aus der damaligen Kolonie “Deutsch-Ostafrika” (heute die Republiken Tansania, Ruanda und Burundi) an Felix von Luschan, Leiter der Abteilung Afrika und Ozeanien im Königlichen Museum für Völkerkunde Berlin, “einen Gegenstand zu erhalten, ohne zum mindesten etwas Gewalt anzuwenden. Ich glaube, dass die Hälfte Ihres Museums gestohlen ist.” [1]
Dieser Einschätzung des umtriebigen “Sammlers” afrikanischer Kunst- und Kulturobjekte steht die Behauptung des derzeitigen Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Hermann Parzinger entgegen, der jeden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Objekterwerbs durch das Museum kategorisch zurückweist. So resümiert der Stiftungspräsident in seinem Konzept für das geplante Humboldt-Forum über die deutsche Kolonialzeit und ihre Methoden der systematischen Beschaffung von Objekten (und zahlreichen menschlichen Überresten): “Damals entstand das wissenschaftliche Fundament des Ethnologischen Museums in Berlin, und es entstand auf legale Weise. Die Berliner Museen sind deshalb rechtmäßige Besitzer ihrer Bestände.” [2]
Dabei lässt die Stiftung Preußischer Kulturbesitz völlig im Unklaren, worauf sich diese Aussage stützt, denn Berlins Ethnologisches Museum hat die Erwerbsumstände seiner gut 500.000 Kunst- und Kulturschätze aus aller Welt bisher noch gar nicht systematisch untersuchen lassen (siehe Antwort des Berliner Senats vom Juli 2013).
Wir werden hier nach und nach Objekte vorstellen, deren Erwerbsumstände sowohl nach heutigem als auch nach damaligem Rechtsverständnis nur als kriminell bezeichnet werden können. Gewaltsamer Raub, die Erpressung von “Geschenken”, heimlicher Diebstahl und Plünderungen nach bewaffneten Überfällen sind Straftaten – ganz gleich, ob sie nun in Europa oder an einem anderen Ort der Welt begangen werden, ganz gleich, ob das vor 30 oder 130 Jahren geschehen ist. Wir wollen mit unserer Dokumentation dazu beitragen, dass die zahlreichen beraubten und betrogenen Herkunftsgesellschaften im Globalen Süden unverzüglich über den Verbleib ihres kulturellen Erbes informiert werden. Von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz erwarten wir, dass sie von sich aus den interkulturellen Dialog sucht und auf Wunsch die Rückgabe der wertvollen Kunst- und Kulturschätze an ihre rechtmäßigen Eigentümer in die Wege leitet.
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[1] SMB-PK, EM, 712, 1897/ 1544, Bl. 230.
[2] Hermann Parzinger: Humboldt-Forum – “Soviel Welt mit sich verbinden als möglich”, S. 31
Objekte
- Kamerun: Der Thron Mandu Yenu des Herrschers Ibrahim Njoya
- Kongo: Das Zepter Difuma Dia Dikongo des Herrschers Katende
- Kongo: Der Schutzgott Makabu Buanga des Fürsten Ischiehwu
- Hawaii: Die Schutzgöttin Kihe Wahine
- Nigeria: Gedenkkopf einer Königinmutter (iyoba) aus der Königstadt Benin
- Kolumbien: Maske Mama Nuikukui Uakai Noavaca aus Sierra Nevada de Santa Marta
- Kolumbien: Steinstatue aus San Augustin
Kamerun: Der Thron Mandu Yenu des Herrschers Ibrahim Njoya
Mandu Yenu – der berühmte Thronsessel des legendären Bamoun-Sultans Ibrahim Njoya (ca. 1870-1933) aus Foumban in Kamerun, der zu den Schmuckstücken der Sammlung des Ethnologischen Museums in Berlin gehört und auch im geplanten Humboldt-Forum gezeigt werden soll. Seine Geschichte ist so bezeichnend für die gern geleugneten ungleichen Machtverhältnisse während der Kolonialzeit wie für den fragwürdigen Umgang europäischer Museen mit den zahlreichen Schätzen aus den einst kolonisierten Teilen der Welt. Im hochproblematischen Erklärungstext des Ethnologischen Museums in Berlin heißt es bis heute:
Geschenk von König Njoya von Bamum an den deutschen Kaiser Wilhelm II. Das Verschenken von königlichen Hockern oder Thronen war in Kamerun ein Gestus, der mit der Aufnahme oder Sicherung diplomatischer Beziehungen vergleichbar ist. Vor diesem Hintergrund ist zu verstehen, warum der König Njoya von Bamum dem deutschen Kaiser 1908 diesen Thron schenkte. Njoya wollte seine Beziehungen zur deutschen Kolonialmacht unterstreichen und seine eigene Position als – gleichwertiger – Bündnispartner verdeutlichen. Ob es sich hier um den eigenen Thron Njoyas oder um eine Kopie oder Zweitfassung handelt, ist nicht abschließend geklärt.
Dieses (spiegelverkehrte) Foto von 1908 ist eine der letzten Aufnahmen, die den Sultan Ibrahim Njoya auf seinem originalen Thron Mandu Yenu zeigen. Nachdem drei Jahre zuvor ein Bild des außergewöhnlichen Objektes in Deutschland erschienen war, begann eine regelrechte Jagd deutscher Museen auf die Insignie der Bamoun-Herrschaft. Nach mehrjährigem Drängen durch die Kolonialmacht übergab Njoya seinen Thron schließlich in Buea als “Geschenk” an den Deutschen Kaiser.
In der Berliner Humboldt-Box wird – anders als im Text des Ethnologischen Museums in Berlin-Dahlem – mittlerweile eingestanden, dass die Stiftung Preußischer Kulturbesitz im Besitz des Originals ist. Gleichzeitig wird dort grafisch und textlich suggeriert, dass der Sultan von Bamoun und der Kaiser in Berlin “Regenten auf Augenhöhe” gewesen wären. Wie wenig dies der realen Situation entsprach, machen nicht zuletzt die kaiserlichen Gegengeschenke deutlich, die Njoya für seinen Thron erhielt. So wurde nicht etwa der originale Thron des deutschen Kaisers nach Kamerun geschafft: Die Reichsregierung schickte Njoya stattdessen ein lebensgroßes Porträt Kaiser Wilhelms II. – des neuen Herrschers über Bamoun.
Diese Aufnahme von 1912 zeigt Ibrahim Njoya auf der Kopie des Mandu Yenu, wie sich vor allem an den fünf Figuren im unteren Bereich erkennen lässt, von denen nun die Nummern eins, drei und fünf (und nicht mehr die Nummern zwei und vier wie beim Original) dunkel gefärbt sind. Rechts neben dem Sultan demonstriert der aus Österreich stammende Kolonialkaufmann Rudolf Oldenburg, wie es um die Machtverhältnisse im kolonisierten Kamerun wirklich stand.
Der jetzige Sultan Ibrahim Mbombo Njoya schenkte der Stiftung Preußischer Kulturbesitz vor einiger Zeit dieses kleine Kunstwerk, das die auf dem historischen Foto von 1912 dargestellte Szene wiedergibt. Das Objekt erinnert an die demonstrative Respektlosigkeit und Machtanmaßung der Weißen sowie an den kolonialen Kontext einer “Schenkung”, die man nicht länger als solche bezeichnen sollte.
Demokratische Republik Kongo: Das Zepter Difuma Dia Dikongo des Herrschers Katende
153 x 30 x 4 cm; Studiensammlung (Depot) des Ethnologischen Museums zu Berlin; Id-Nr: III C 3207
Objektsbeschreibung des Ethnologischen Museums:
„Difuma Dia Dikongo“. Altes eisernes Reichs-Zepter des grössten Baschilange Häuptlings Mona-Katembe der 1885 von Ltnt. Wissmann besiegt und gefangengenommen seine uralte von einem früheren Kanjika stammende Reichs-Insignie ausliefern musste.
Erwerb:
Zwischen 1883 bis 1887 durchzog und „erforschte“ Hermann Wissmann (1853-1905) im Auftrag des belgischen Königs Leopold II. die Kasai-Region in der heutigen Demokratischen Republik Kongo. Wissmanns Hauptaufgabe bestand in der „Ordnung der politischen Verhältnisse“ im Sinne des belgischen Kolonialherrschers Leopold. [1] Er ging dabei immer wieder auch mit direkter militärischer Gewalt vor, so z.B. gegen die Baschilamboa (Baschilange), denen er nach eigener Aussage „im Kriege die Dörfer hatte niederbrennen müssen.“ [2] Vom gefangen genommenen Führer Katende ließ sich Wissmann die Herrschaftsinsignien ausliefern. Wissmann selbst berichtet über die Umstände des “Erwerbs” und den Verbleib des Objektes:
Der Stammbaum ihres Fürsten Katende reicht bis zu Mona-Kanjiha, von dem seine Vorfahren die Dikonga dia Difuma erhalten hatten, ein eisernes Reichszepter, wie daselbst nur noch in einem Exemplar bei den Baluba existieren soll (die Dikonga, die ich nach einem Kriege mit Katende, in dem ich denselben gefangen nahm, ausgeliefert erhielt, befindet sich mit seinem weit zurückreichenden Stammbaum im Berliner Museum).[3]
[1] Siehe dazu auch: Fabian, Johannes: Im Tropenfieber: Wissenschaft und Wahn in der Erforschung Zentralafrikas, München 2001
[2] Wissmann, Hermann von: Meine zweite Durchquerung Aquatorial-Afrikas vom Congo zum Zambesi während der Jahre 1886 und 1887. Berlin 1890, S. 73
[3] ebenda, S. 245
Weitere von Wissmann “gesammelte” Objekte in der online-Datenbank des Ethnologischen Museum Berlin: “Kraftfigur” aus dem südlichen Kongo (Zentralfrika) Trinkbecher der Bakuba (Demokratische Republik Kongo); Kriegshorn der Beneki (Demokratische Republik Kongo); Zylindertrommel der Bateke/Luluwa (Kongo), “Zauberfigur” der Songe (Kongo), Bogenhalter der Luba (Kongo), u.a.
Demokratische Republik Kongo: Der Schutzgott Makabu Buanga des Fürsten Ischiehwu
74 cm; ausgeliehen an das Metropolitan Museum of Art, New York, Id-Nr.: III C 3246
Eintrag in der online-Datenbank des Ethnologischen Museums: hier >>
Objektbeschreibung des Ethnologischen Museums:
Ludwig Wolf, einer der Reisegefährten Hermann von Wissmanns, erwarb diese Statue von einem Häuptling der Benam-Behla (Beena Mbala)–Untergruppe. Angesichts der religiösen und politischen Bedeutung ist es nicht verwunderlich, dass ihr Besitzer diesen ‘Schutzgott’ seines Hauses und seiner Ansiedlung dem deutschen Forschungsreisenden nur höchst widerwillig überließ[…].
Erwerb: Die genauen Umstände beschreibt Ludwig Wolf (1850-1889), Arzt der Wissmann-Expedition:
Auf der Reise hatte er [Ischiehwu] mich mehrfach schmählich hintergangen und im Lande der Baluba sogar verräterische Absichten gegen mich gehabt. Ich hatte ihm dafür eine empfindliche Strafe angedroht. […] Auf der Hinreise hatte ich in seinem Hause einen echten Balubafetisch gesehen, der als einziger in seiner Art mein höchstes Interesse in Anspruch nahm. […] Ich versuchte damals, den Fetisch von Ischiehwu zu erhalten, doch der Häuptling gab mir die Versicherung, dass er sich um keinen Preis von demselben trennen würde. […] Jetzt verlangte ich von dem Häuptling die Auslieferung desselben als Sühne für sein Vergehen. Vergebens sträubte er sich und bot mir andere Geschenke an. […] Ich erzählte ihm, dass ich fest entschlossen sei, ihn gefangen zu nehmen und Kalamba zur Bestrafung zu überliefern; wenn er mir aber den Makabu – Buanga gebe, solle alles vergeben und vergessen sein. […] Sie sowohl als auch ihre Untertanen verheimlichen den Besitz und trennen sich nur im äußersten Falle von ihren bewährten Penaten [Schutzgöttern]. Unter gewöhnlichen Verhältnissen hätte ich daher für keine Opfer den Makabu-Buanga erhalten können, der sein Heim nun im Königlichen Museum für Völkerkunde in Berlin gefunden hat.[1]
[1] Wissmann, Hermann von: Im Inneren Afrikas, Die Erforschung des Kassai während der Jahre 1883, 1884 und 1885, Leipzig 1888, „Wolf’s Bericht über seine Reise in das Land der Bakuba“, S. 265ff.
Weitere von Ludwig Wolf “gesammelte” Objekte in der online-Datenbank des Ethnologischen Museums:
Maske der Bakuba (Kongo);
Gürtel der Kuba (Demokratische Republik Kongo)
Hawaii: Die Schutzgöttin Kihe Wahine
43 cm, Sammlung Südsee und Australien des Ethnologischen Museums Berlin, Id-Nr.: VI 8375
Eintrag in der online-Datenbank des Ethnologischen Museums: hier >>
Begleittext des Ethnologischen Museums Berlin:
Die kniende Figur der Kihe Wahine – sie soll die Göttin der Molche und Eidechsen darstellen – stammt aus der Sammlung des Arztes Eduard Arning. Sie war um 1880 von Einheimischen zusammen mit einer anderen Figur […] in einer Erdgrube gefunden worden […].
Erwerb:
Gesponsort von der Alexander-von-Humboldt-Stiftung führte der Hamburger Mediziner Eduard Arning (1855-1936) im Zeitraum von 1883-1886 (seit 1853 unter Kontrolle der USA) auf Hawaii, auf dem eine Lepra-Epidemie ausgebrochen war, bakteriologische Lepraversuche durch. Dabei schreckte er auch vor medizinischen Experimenten an Menschen zurück. So ist vor allem der Fall des behördlicherseits zum Tode verurteilten Polynesiers Keanu bekannt, der von Arning vorsätzlich mit Lepra infiziert wurde und bald darauf verstarb. Die Versuche und die dadurch gewonnenen Erkenntnisse brachten Arning auf wissenschaftlicher Ebene größte Anerkennung: Heute trägt die Eduard-Arning-Klinik für Dermatologie und Allergologie in Hamburg seinen Namen. Während seines Aufenthaltes in Hawaii sammelte Arning „Material“ für die medizinische Forschung. Die Historikerin Anna Bergmann schreibt: „Über seine medizinischen Forschungen hinaus plünderte Arning Knochen und Schädel von Häuptlingen sowie Priestern aus Grabhöhlen und sezierte Tote gegen den Widerstand der polynesischen Bevölkerung.“ Sie zitiert Armin mit folgender Aussage: “Das mitgebrachte Material besteht in den von 18 Sectionen getrennt aufbewahrten Organtheilen, einigen Gehirnen, Rückenmarken, und Extremitäten. Ganze Organe zur Conservierung zur Seite zu schaffen, gelang mir bei Wachsamkeit der Kanaken nur in den seltensten Fällen.[1]
1884 nahm Arning Kontakt zu Adolf Bastian, dem Gründungsdirektor des Museums für Völkerkunde in Berlin, auf und erkundigte sich, ob das Museum Interesse an kulturellen Objekten aus Hawaii hätte. Dies wurde bestätigt und Arning brachte in den Folgejahren eine der weltweit bedeutendsten Sammlungen zu Hawaii mit über 300 Objekten zusammen. Sie wurde nach Berlin transportiert und ist heute im Besitz des Ethnologischen Museums.[2] 1887 wurde Arning vom Physiologen Du Bois-Reymond dafür gelobt, dass er „mit großem Erfolg alles gesammelt [hätte], was sich von Geräth, Waffen, Schmuck jener schnell und schneller dahinsiechenden Bevölkerung noch irgend bergen ließ.“ [3]
Es ist nicht nachgewiesen, dass Arning bei der „Sammlung“ der Objekte körperliche Gewalt anwendete, aber immer wieder betont er, dass die Bewohner Hawaiis den „gesammelten“ Objekten größte Bedeutung beimaßen und sie deshalb nur nach langen Verhandlungen und ausdauerndem Drängen „verkaufen“ wollten.[4] Zudem betätigte sich Arning als Grab- und Höhlenräuber. So berichtet er im Oktober 1885 in einem Brief an Bastian, dass er eine Kalebasse mit Nabelschnüren und Placenten von high chiefs in einer Höhle gefunden habe. Bedauerlicherweise seien ihm diese allerdings wieder abhanden gekommen. Er habe die Kalebasse samt Inhalt der Schwester des Königs zur Weiterbeförderung zukommen lassen, die behauptet, dieser Bitte nachgekommen zu sein, doch kam das Paket nie an. Arning erklärt in seinem Brief, dass er im Nachhinein davon erfahren hat, dass es den Glauben gibt, dass Nabelschnüre sicher versteckt sein müssen. Vermutlich würden sich die besagten Dinge nun am Meeresgrund befinden.[5]
Ein weiteres Beispiel dafür ist der Fall der Schutzgöttin Kihe Wahine, die heute im Ethnologischen Museum Berlin ausgestellt ist. Über deren Erwerb berichtet er selbst folgendermaßen:
Durch Zufall hörte der Pflanzer Herbert Purvis von der Auffindung zweier Idole an der Felsenküste von Hamakua (Hawaii) nahe bei Laupahoehoe und ihrem Verbleib und versprach mir, sein Möglichstes zu tun, sie mir zu verschaffen. […] Den beiden Eingeborenen, die ihn begleiteten, gelang es indessen, die Stelle zu erreichen und die Grube, in der die Figuren versteckt waren, zu leeren.[6]
Der König von Hawaii, so berichtet Arning, ging davon aus, dass Kihe wahine „Papa“, die erste Frau der hawaiianischen Mythologie darstellen würde. Sie soll eine Häuptlingsfrau auf Maui gewesen sein, die sich nach ihrem Tod in eine riesige Eidechse verwandelte, in Fischteichen lebte und als Schutzgeist verehrt wurde.[7]
Der Ethnologe Schindlbeck berichtet, dass die Figur von Einheimischen aufgefunden und in ein Dorf gebracht worden war, bevor Purvis im Auftrag Arnings die Figur (und eine weitere) aus der besagten Höhle entfernen ließ. Daraufhin erkrankten viele Dorfbewohner_innen und es wurde angenommen, dass diese Krankheitswelle eine Strafe der Götter sei, weil die Gottheit der Kihe wahine aus der Höhle weggebracht worden war. Folglich legten die Eigentümer die Figur wieder in die Höhle zurück – aus der Arning sie dann stehlen und nach Berlin abtransportieren ließ.
Nigeria: Gedenkkopf einer Königinmutter (iyoba) aus der Königstadt Benin
51 cm, 4,1 kg; Afrika-Sammlung des Ethnologischen Museums Berlin Ident.Nr. III C 12507
Eintrag in der online Datenbank des Ethnologischen Museums: hier>>
Der Berliner Senat erklärte kürzlich:
Der überwiegende Teil der heute 507 Objekte umfassenden Benin-Sammlung des Ethnologischen Museums wurde zwischen 1897 und 1925 auf dem Kunstmarkt in London, teilweise auch in Lagos erworben. Der Senat und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz sind der Auffassung, dass die Objekt rechtmäßig erworben wurden und es für eine Restitution dieser Sammlung keine völkerrechtliche Grundlage gibt [1].
Erwerb:
Sylvester Okwunodu Ogbechie beschreibt in seinem Artikel “Das Schwert des Oba Ovonramwen” eindrucksvoll die Vorgeschichte der Zerstörung des jahrhundertealten Reiches von Benin im heutigen Nigeria durch britische Kolonialtruppen:
Im Februar 1897 belagerte eine 1200 Mann starke britische Elitetruppe (unterstützt von mehreren hundert afrikanischen Hilfstruppen und tausenden afrikanischen Trägern) die Stadt Benin, Hauptstadt des Edo-Königreiches, dessen Herrscher Oba Ovonramwen auf einem Thron saß, der tausend Jahre alt war. Die britische „Strafexpedition“ setzte Maschinengewehre ein und tötete 130.000 Soldaten und Sichheitskräfte der Hauptstadt. Sie setzten die Stadt in Brand und raubten aus dem Palast 500 Jahre alte Objekte aus Bronze, die das königliche Archiv der Geschichte Benins darstellten – ein unersetzliches Nationales Erbe. Der König und seine ranghöchsten Gefolgsleute flohen, verfolgt von den Briten, welche die Gegend verwüsteten, um die Bewohner Benins zur Aufgabe ihres flüchtigen Königs zu zwingen. Richard Gott berichtet, dass „auf der Suche nach dem Oba eine kleine britische Streitmacht für weitere sechs Monate die Gegend durchkämmte. Vieh wurde beschlagnahmt und Dörfer wurden zerstört. Dennoch gelang es ihnen erst im August, den Oba einzukesseln und in seine zerstörte Stadt zurück zu bringen. Dann wurde eine große Menschenmenge zusammengetrieben, um die rituelle Erniedrigung zu erleben, welche die Briten ihren Untertanen zugedacht hatten. Der Oba musste vor dem britischen Militärbefehlshaber niederknien, mit dem Gesicht im Staub. Gestützt von zwei seiner Adligen wiederholte der König dieses Ritual dreimal. Dreimal legt er sich auf den Boden und rieb seine Stirn im Staub. Dann wurde ihm seine Absetzung mitgeteilt. [2]
Was mit dem von den Kolonialtruppen in Benin erbeuteten Bronze- und Elfenbeinschatz weiter geschah, hat Felix von Luschan (1854-1924), Direktor der Afrika- und Ozeanienabteilung im Berliner Völkerkundemuseum, zusammenfassend geschildert:
Das weitere Schicksal dieses einzigartigen Fundes ist sehr wechselvoll gewesen. Ein großer Teil der Stücke war als „Kriegsbeute“ in den Besitz von Offizieren und Seesoldaten gekommen und wurde schon nach wenigen Tagen wieder in Lagos an Händler verkauft (…) Andere Serien kamen (…) sehr rasch in den Besitz von Londoner Händlern oder in Londoner Auktions-Institute. So stammt auch die erste größere nach Berlin gelangte Sammlung aus einer Auktion bei Hale&Son (…) Unter dem Eindruck dieser Auktion, von der ich nur ganz zufällig erfahren hatte und zu der ich gerade noch im letzten Augenblick hatte eintreffen können, sandte ich noch aus London eine Depesche an das Deutsche Konsulat in Lagos mit der Bitte, von Benin-Altertümern für das Berliner Museum zu kaufen „was immer erreichbar und ohne Rücksicht auf den Preis“. (…) Mit einigen Stücken aus dem alten Bestand des Museums und mit verschiedenen Einzelerwerbungen kann sich so das Museum des Besitzes von 580 Nummern aus Benin rühmen (…) So steht das Berliner Museum für Völkerkunde in dieser Hinsicht bei weitem an der Spitze aller Museen. [3]
[1] Antwort der Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten auf die Kleine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen : “Postkoloniale Auseinandersetzung mit dem Humboldt-Forum”, 29.07.2013, Drucksache 17/12 360
[2] Sylvester Okwunodu Ogbechie: „The Sword of Oba Ovonramwen” http://aachronym.blogspot.de/2007/11/sword-of-oba-ovonramwen.html
[3] Felix von Luschan: Die Altertümer von Benin (1919), S. 8-9
Kolumbien: Maske Mama Nuikukui Uakai Noavaca aus Sierra Nevada de Santa Marta
17 x 17,5 x 10 cm, Holz, 1440, Amerika-Sammlung des Ethnologischen Museums Berlin, Id.-Nr. V A 62650
Eintrag in der SMB online-Datenbank: >> hier …
Kolumbien: Steinstatue aus San Augustin
106 x 59 x 32 cm, Stein, Amerika-Sammlung des Ethnologischen Museums Berlin, Id.-Nr. V A 61987
Eintrag in der SMB online-Datenbank: >> hier …
Erwerb:
Der deutsche Ethnologe Konrad Theodor Preuss (1869 – 1938) reiste 1905-07 nach Mexiko zu den Cora und Huicholes der Sierra Madre Occidental. Während eines Forschungsaufenthaltes in Kolumbien 1913 bis 1919 leitete er 1913/15 archäologische Ausgrabungen in der Nähe von San Augustin, außerdem unternahm er Feldforschungen bei den Uitoto im kolumbianischen Amazonasgebiet (1914) und bei den Kágaba (Kogi) der Sierra Nevada de Santa Marta (1915). Die noch aus vorkolonialer Zeit stammenden rituellen Masken der Kágaba, so schreibt Manuela Fischer in “Der lange Weg der Masken” auf der Webseite des Ibero Amerikanischen Instituts in Berlin, “waren allerdings – damals wie heute – eigentlich unverkäuflich. Preuss nutzte einen Erbstreit zwischen autochthonen Priestern, um diese Raritäten zu erwerben.” [1] Ebenso umstritten ist seine Sammlung heiliger Steinstatuen, die er nach dem Ersten Weltkrieg unter zweifelhaften Umständen von San Augustin in Kolumbien nach Berlin mitnahm. Die Bewohner von San Augustin haben 2012 eine Kampagne gestartet, welche die kolumbianische Regierung dazu bewegen soll, von Deutschland die Rückgabe der Statuen zu fordern. [2] Kürzlich haben die AnwohnerInnen auch den Abtransport weiterer 20 Statuen aus San Augustin durch die kolumbianische Regierung verhindert. Die heiligen Skulpturen sollten als Hauptattraktion einer Sonderausstellung über das Leben und Werk von Konrad Theodor Preuss in Bogota dienen. [3]
[1] Manuela Fischer: “Der lange Weg der Masken” auf: http://portal.iai.spk-berlin.de/Preuss.107.0.html (13.11.2013)
[2] Chris Kraul in The Los Angeles Times: “Columbia residents want Germany to return stone statues” http://articles.latimes.com/2012/dec/27/world/la-fg-colombia-statues-20121228 (13.11.2013)
[3] Siehe Chris Kraul in The Los Angeles Times: “Columbia calls off exhibition of sculptures in face of protests” http://www.latimes.com/world/worldnow/la-fg-wn-colombia-sculptures-protest-20131113,0,6100675.story#axzz2l69GhOUF (13.11.2013)