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RESOLUTION

MORATORIUM FÜR DAS HUMBOLDT-FORUM IM BERLINER SCHLOSS

Mit dem Projekt „Berliner Schloss – Humboldt-Forum“ wollen das Land Berlin und die Bundesrepublik bis 2018/19 das „wichtigste kulturpolitische Projekt in Deutschland am Beginn des 21. Jahrhunderts“ umsetzen. Der „Jahrhundertbau“ im Zentrum der Hauptstadt soll 590 Millionen Euro kosten. Berlin will sich mit 32 Millionen Euro am Bau beteiligen.

2011 stellte der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, das Nutzungskonzept vor. Der Titel des Konzepts ist „Das Humboldt-Forum: Soviel Welt mit sich verbinden als möglich“. Berlins „außereuropäische Sammlungen“ sollen von ihrem abgelegenen Standort Berlin-Dahlem ins Stadtzentrum ziehen. Außerdem soll das Gebäude von der Zentral- und Landesbibliothek sowie von der Humboldt-Universität bespielt werden. Als „Herz des Humboldt-Forums“ ist die „Agora“, ein „Forum für Wissenschaft, Kultur und Politik“ geplant.

In Parzingers Konzept werden die Erwartungen an das Projekt in Superlativen formuliert. Entstehen soll nicht nur ein herausragender „Ort der Kunst und Kultur Asiens, Afrikas, Amerikas, Australiens und Ozeaniens“. Das Humboldt-Forum soll auch zu einem einzigartigen „Zentrum der Erforschung außereuropäischer Kulturen“ werden. Geplant ist ein „kulturelles Zentrum von nationaler und internationaler Ausstrahlung“, mit dem sich Berlin im Kreis der „weltweit führenden Kultur- und Museumsstädte“ etablieren will.

Wir fordern die Aussetzung der Arbeit am Humboldt-Forum im Berliner Schloss und eine breite öffentliche Debatte: Das vorliegende Konzept verletzt die Würde und die Eigentumsrechte von Menschen in allen Teilen der Welt, ist eurozentrisch und restaurativ. Das Humboldt-Forum steht dem Anspruch eines gleichberechtigten Zusammenlebens in der Migrationsgesellschaft entgegen.

Begründung:

Die Staatlichen Museen Berlins sind nicht die „rechtmäßigen Besitzer ihrer Bestände“.
Der weitaus größte Teil der über 500.000 wertvollen Exponate aus aller Welt kam im Zusammenhang mit kolonialen Eroberungen nach Berlin. Die Europäer griffen häufig sogar zu direkter Gewalt, um in den Besitz von zentralen Objekten der kolonisierten Gesellschaften wie zum Beispiel von Thronen, Zeptern und Kultgegenständen zu gelangen. Das Schmücken mit „fremden Federn“ bringt für den Standort Berlin bis heute neben ideellen Vorteilen auch materielle Gewinne ein. Wir fordern die Offenlegung der Erwerbsgeschichte aller Exponate und die Befolgung der unmissverständlichen UN-Beschlüsse zur „Rückführung von Kunstwerken in Länder, die Opfer von Enteignung wurden“. Über den zukünftigen Verbleib von Beutekunst und kolonialem Raubgut muss der Dialog mit den Nachfahren der Schöpfer/-innen und rechtmäßigen Eigentümer/-innen der Exponate gesucht werden. Dies gilt insbesondere für die entführten Überreste von Menschen, die sich im Besitz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz befinden.

Der von Berlin ausgehende Kolonialismus wird rehabilitiert.
Die Sammlungen aus aller Welt sollen nun ins Schloss der Hohenzollern zurückkehren, wo schon die ersten überseeischen Schätze Berlins präsentiert wurden. Nicht anders als damals geht es dabei vor allem um die Repräsentation von Macht und globaler Bedeutung. Für die Nachfahren der Kolonisierten im In- und Ausland ist es eine besondere Zumutung, dass dies in der wiedererrichteten Residenz der brandenburgisch-preußischen Herrscher geschehen soll. Denn die Hohenzollern waren hauptverantwortlich für die Versklavung Tausender Menschen aus Afrika sowie für Völkermorde und Konzentrationslager in Deutschlands ehemaligen Kolonien. Wir lehnen daher jede Präsentation von Objekten, die während der Kolonialzeit nach Berlin kamen, im Berliner Schloss ab.

Die Kulturen der Welt werden als „fremd“ und „anders“ diskriminiert. 
Wie schon die Zurschaustellung „exotischer Kuriositäten“ in den „Wunderkammern“ der brandenburgischen Kurfürsten und preußischen Könige soll das Berliner Schloss – Humboldt-Forum der Herausbildung einer preußisch-deutsch-europäischen Identität dienen. Dieses Anliegen konterkariert das Ziel eines gleichberechtigten Miteinanders in der Migrationsgesellschaft und soll auf Kosten Anderer realisiert werden. Mit Hilfe der oft Jahrhunderte alten Objekte aus aller Welt wird das vermeintlich „Fremde“ und „Andere“ inszeniert und den umfangreichen Sammlungen europäischer Kunst auf der Berliner Museumsinsel zur Seite gestellt. Europa wird dabei als überlegene Norm konstruiert. Wir lehnen diese herabsetzende Form der Präsentation ab. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz fordern wir auf, für gleichberechtigte, machtsensible und Gemeinsamkeiten aufzeigende Selbstdarstellungen durch Fachleute aus den Ländern des Globalen Südens zu sorgen.

Die „Erforschung außereuropäischer Kulturen“ wird nicht problematisiert.
Die Erkundung der Welt und ihrer Menschen durch europäische „Forscher“ war über Jahrhunderte hinweg ein koloniales Projekt und trägt bis heute zur Kontrolle und Ausbeutung des Globalen Südens bei. An diesem Projekt war auch einer der beiden Namensgeber des geplanten Forums, Alexander von Humboldt, wesentlich beteiligt. Denn an den Ergebnissen seiner Reisen in Süd- und Mittelamerika waren vor allem das spanische Königshaus und das auf Völkermord und Sklaverei basierende Kolonialregime vor Ort interessiert, die ihn nach Kräften unterstützten. Entsprechend verkörpert Preußens „wahrer Entdecker Amerikas“, der sogar bestattete Menschen raubte und nach Europa verschiffte, koloniale Dominanz. Als Namensgeber für ein interkulturelles Zentrum ist Humboldt nicht geeignet.

Die kulturellen Schätze der Welt bleiben den Privilegierten im Norden vorbehalten.
In seinem Nutzungskonzept lädt der Stiftungspräsident Hermann Parzinger „Besucher aus Asien oder die Nachfahren indigener indianischer oder afrikanischer Gesellschaften“ in die Bundeshauptstadt ein. In einer Zeit, in der tagtäglich Menschen im Mittelmeer ertrinken, weil ihnen die Einreise nach Europa verwehrt wird, kann eine solche Einladung wohl nur als zynisch bezeichnet werden. Aminata Traoré, die ehemalige Kultur- und Tourismusministerin Malis, brachte es 2006 in Paris auf den Punkt: „Unsere Werke genießen Bürgerrechte an einem Ort, wo man uns als Gesamtheit sogar den Aufenthalt untersagt.“ Wir fordern die Stiftung Preußischer Kulturbesitz auf, den Menschen der Welt Zugang zu Berlins außereuropäischen Sammlungen zu ermöglichen. Neben der dauerhaften Rückführungen von Beutekunst sollte dies durch freie Ausleihe und Kostenübernahme zur Realisierung von internationalen Ausstellungsprojekten in den Regionen der Welt erfolgen, in denen die hierher transportierten Kunstwerke und Kulturgüter geschaffen worden sind.

No Humboldt21.pdf  pdficon

Berlin, 3. Juni 2013

Unterzeichner:

Adinja, Boaco, Nicaragua
AfricAvenir International e.V., Berlin, Douala, Windhoek
Afrosvenskarnas riksförbund, The National Association of Afro-Swedes, Stockholm, Schweden
AFROTAK TV CyberNomads, Berlin
AHOI artists and events, Berlin
i Alerta ! Lateinamerikagruppe Düsseldorf
Alexandertechnik, Berlin
Antirassistische Initiative Berlin (ARI)
Anti-Bias-Werkstatt, Berlin
APOKAM, El Salvador
Arbeitsgemeinschaft Postkolonial, Leipzig
Arbeitskreis Hamburg Postkolonial
Arbeitskreis Panafrikanismus München e.V.
ArtAfrica, Portugal
Artefakte // anti-humboldt, Berlin
Art Labour Archives
Asamblea Popular del Pueblo Juchiteco, Juchitán, Oaxaca, México
AsylCafé Passau n.e.V.
Barnimer Kampagne „Light me Amadeu“, Eberswalde
Berliner Entwicklungspolitischer Ratschlag BER e.V.
Berlin Postkolonial e.V.
Berlin Soundstrike
Bildungswerkstatt Migration & Gesellschaft e.V., Berlin
BISA – Bochumer Initiative südliches Afrika e.V.
Bündnis gegen Rassismus, Berlin
Bundeskoordination Internationalismus (BUKO), Hamburg
Colonialism Reparation, Italien
Commit to Partnership e.V., München
Conseil Représentatif des Associations Noires (CRAN), Paris, Frankreich
Coop Antikriegscafé Berlin
CulturCooperation e.V., Hamburg
decolonial group berlin
Entwicklungspolitisches Netzwerk Hessen e.V.
Eine Welt Netzwerk Hamburg e.V.
eipcp, europäisches institut für progressive kulturpolitik, Wien, Österreich
Fairbindung e.V., Berlin
FDCL – Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika e.V., Berlin
Friends of Lake Bosomtwe, Ghana/Deutschland
Galerie Bauchhund
GLADT e.V.
glokal e.V., Berlin
Hilfsorganisation der Oromo Relief Association (H-ORA) e.V., Berlin
ICJA Freiwilligenaustausch weltweit, Berlin
Informationsbüro Nicaragua e.V., Berlin
Initiative Schwarze Menschen in Deutschland – ISD-Bund e.V.
Interflugs – Autonome Studierendenorganisation an der Universität der Künste Berlin
ISD Gießen
Kampagne „Zusammen handeln! Gegen rassistische Hetze und soziale Ausgrenzung“, Berlin
Kontaktstelle für Umwelt und Entwicklung (KATE), Berlin
Korientation e.V., Berlin
Kirche von Unten – KvU, Berlin
Landesausschuss für Migration, Diversität und Antidiskriminierung der GEW Berlin (LAMA)
Lateinamerika Nachrichten e.V., Berlin
MEPa e.V. (i.G.)
México vía Bérlin
miteinanders, Hamburg
moveGLOBAL e.V., Berlin
[muc] münchen postkolonial
Naturfreunde Berlin e.V.
Netzwerk Selbsthilfe e.V., Berlin
New Generation e.V., Berlin
NicaNetz – Freiwilligennetzwerk Nicaragua e.V., Erfurt
Nord-Süd-Forum München e.V.
Partner Südmexikos e.V., Böblingen
Phoenix e.V., Berlin
Picnic Magazine NPO, Tel Aviv, Israel
PoLYpeN
„Pro Afrika Reloaded 2.0“ e.V., Berlin
ProNATs – Verein zur Unterstützung arbeitender Kinder und Jugendlicher, Berlin
Quantic Association, Rumänien
Respect e.V., Freiburg
Solidaritätsdienst International SODI e.V., Berlin
Soziale Liste im Rat, Bochum
S.U.S.I. Internationales Frauenzentrum, Berlin
tanzania-network.de e.V., Berlin
Transnational Decolonial Institute
VENROB – Verbund Entwicklungspolitischer Nichtregierungsorganisationen Brandenburgs e.V.
Verein schnittpunkt. ausstellungstheorie & praxis, Wien, Österreich
Viva Humanidad e.V., Berlin
Zentralrat der afrikanischen Gemeinde in Deutschland e.V., Berlin
Zugvögel, interkultureller Nord-Süd-Austausch e.V., Berlin
Zwischenraum e.V., Berlin